Dieser Tatsachenbericht schildert selbsterlebte Situationen, in knapper Form, aus der Geschichte des ersten Deportations-Transportes aus Wien nach Opole im Generalgouvernement im Jänner 1940, dem Beginn der Umsiedlung der Wiener Judenschaft in die Endlösung. Abseits der vielen bisherigen Erzählungen der blutigen Geschichte aus dem Osten, während der Zeit des 1000jährigen Reiches, versucht diese Dokumentation Menschen gerecht zu werden, die Mut genug hatten, in diesem Inferno einer Welt voller Brutalität, Mensch zu bleiben! Unwahrscheinliche Erlebnisse in einer Zeit kaum glaubhaft scheinender Verfolgung von Menschen, nur weil sie dem herrschenden Regime nicht paßten, sollen beweisen, daß der vielfach mißbrauchte Begriff „Befehls-Notstand“ als willkommene Ausrede zur Verniedlichung des Schuldgefühls im Kriegsverbrecher-Prozeß benützt wird. Wer wirklich menschlich fühlte und dachte, konnte, ohne besondere Gefahr für sich, erhaltenen und in ihren verbrecherischen Auswirkungen erkannten Befehlen eine Richtung geben, daß sie wirkungslos oder in ihrer Auswirkung abgeschwächt für die Betroffenen wurden. Jeder, der die Verhältnisse in den Vernichtungsgebieten kannte, wird erstaunt darüber sein, daß in diesem Meer von Mordgier, Gewalt und Brutalität, durch Jahre hindurch eine halbwegs menschliche Oase existent sein konnte, nur weil es einzelne Männer gab, die von ihrem Gewissen geleitet, anders handelten als das verbrecherische Regime es gewollt hatte.
Leider waren es nur sehr wenige, wären es mehr gewesen, dann hätten nicht so viele Millionen unschuldige Opfer daran glauben müssen. Der Verfasser hat nur besonders hervorstechende Episoden gezeichnet, die in ihrer Anschaulichkeit dem Leser gespannt vom Anfang bis zum Ende interessierend das Buch verfolgen lassen und die Vergangenheit vors Auge führt. Besonders der fragenden Jugend, die der vergangenen und nicht selbst erlebten Zeit wißbegierig gegenübersteht, kann diese Zeitgeschichte vieles beantworten, was ihnen ihre Väter gerne und schuldbewußt verschweigen.
Herrmann Wenkart verbrachte seine frühen Jahre in München, bis er im April 1934 aufgrund des politischen Klimas und dem Druck der SA gezwungen wurde, die Stadt zu verlassen. Als aktives Mitglied der Sozialistischen Partei war eine Rückkehr in seine Heimatstadt Wien aufgrund der dort herrschenden politischen Verhältnisse keine Option. Stattdessen führte ihn sein Weg am frühen Morgen des 20. April 1934 in Richtung Straßburg. Nach einem kurzen Aufenthalt in Frankreich, der bis Ende 1934 andauerte und von Schwierigkeiten mit Arbeitserlaubnissen sowie den Risiken illegaler Beschäftigung geprägt war, entschied sich Wenkart einen anderen Weg zu gehen. Er versuchte, das reichsdeutsche Gebiet zu meiden, und machte sich mit knappen Reisegeldern und begrenzten Sprachkenntnissen auf den Weg in die Tschechoslowakei ein Land, das als vorbildlicher Aufnahmestaat für sozialistische Emigranten galt.
Ende Februar 1935 fand Herrmann Wenkart in Brünn, der Hauptstadt Mährens, endlich Anstellung und ein neues Zuhause. Über mehr als zwei Jahre hinweg lebte er dort ein bescheidenes, aber weitgehend sorgenfreies Leben, auch wenn die Sprachbarrieren eine stete Herausforderung blieben. Der zunehmende Druck der Nationalsozialisten auf Österreich führte in der Region zu einer vorübergehenden Lockerung der Verfolgung von Sozialisten, was ihm die Hoffnung auf eine wirtschaftliche Verbesserung gab.
Im Januar 1937 entschied er sich, nach Wien zurückzukehren angetrieben von der damals populären Zwei Staaten Theorie, ohne zu ahnen, wie groß Hitlers Ambitionen tatsächlich waren. Das Jahr 1937 verging wie im Flug, und in Wien lernte er seine spätere Ehefrau kennen, mit der er sich verliebte und am 6. Februar 1938 den Bund der Ehe schloss. Auf der Hochzeitsreise überraschte eine Zeitungsmeldung über Schuschniggs Besuch auf dem Obersalzberg den frisch verheirateten Wenkart, was ihm bereits die düsteren Ereignisse der nahenden Zeit erahnen ließ und ihn zu neuen Emigrationsplänen veranlasste.
Doch die eskalierenden Umstände erwiesen sich als unüberwindbar. Nach dem Einmarsch der Deutschen in Österreich am 10. März 1938 folgte seine Verhaftung am 22. März 1938. Kurz darauf, in der Nacht der Kristallnacht am 10. November 1938, wurde er in das Arbeitslager Kaprun deportiert, wo er bis zum 10. Januar 1940 verweilte dem Datum, an dem der erste Polentransport aus Wien stattfand.
Michael Marcovici (Hrsg.)
Michael Marcovici ist der Enkel von Hermann Wenkart, Sohn der Ruth Marcovici deren leben er gerettet hat. Michael lebt als Unternehmer in Wien
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