Carus' Schrift "Über Geistes-Epidemien der Menschheit" (1852) beruht auf einem seiner Vorträge. Sie beschreibt ein historisches Panorama des Gruppen- oder Massenwahns -- von der Tanzwut und der Hexenverfolgung bis hin zum Vampirismus und zu den Umtrieben der Märzrevolution 1848. Geistesepidemien wurden zum Teil von verheerenden Seuchen wie der Pest ausgelöst. Als Carus seinen Text verfasste, waren weder Hypnotismus, und Suggestionslehre bekannt, noch war das Zeitalter der Bakteriologie angebrochen -- zwei wissenschaftliche Ansätze, auf die sich die Theorie der "Massenpsychologie" um 1900 und danach stützen sollte. So spiegelt die vorliegende Schrift den Wissensstand an der Schwelle zum naturwissenschaftlichen Umbruch der Medizin in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wider.
Carl Gustav Carus (1789-1869) war Arzt (Geburtshelfer und Anatom), Naturphilosoph, Anthropologe und Landschaftsmaler. Als Universalgelehrter war er von der Romantik und der von ihr geprägten Naturphilosophie beeinflusst. Er war mit bedeutenden Wissenschaftlern, Schriftstellern und Künstlern bekannt bzw. befreundet wie Alexander von Humboldt, Ludwig Tieck und Caspar David Friedrich. Er verfocht kein bestimmtes philosophisches System, sondern setzte sich auf verschiedenen Gebieten der Medizin und Naturforschung undogmatisch und fachübergreifend mit seinerzeit aktuellen Fragestellungen auseinander.
Heinz Schott (Hrsg.)
Heinz Schott, Dr.med. Dr.phil., Professor für Geschichte der Medizin, leitete von 1987 bis 2016 das Medizinhistorische Institut der Universität Bonn.
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