Von zarter Lyrik über schräge Kurzgeschichten bis zu spannenden Theatermonologen mit ungewissem Ausgang reicht die Palette von Karl-Friedrich Reinhardt. Seine genaue Beobachtung und die Liebe zum Nächsten sind die großen Leitlinien in Reinhardts Texten. Seine Erzählungen spiegeln die Einsamkeit der Menschen, das Fremde in uns, das Erschrecken über uns. Die Geschichten enden scheinbar im Nichts und hinterlassen manchmal eine kleine Gänsehaut.
Karl-Friedrich Reinhardt arbeitete in seiner Jugend als Rangierer, Fotograf, Hilfsarbeiter, Schauspieler, Regisseur und viele Jahre als Geschäftsführer bei der SPD. Die turbulenten Jahre um 1968 haben ihn wie viele andere auch für den Rest seines Lebens nachhaltig geprägt. Unter dem Einfluss von Edward Albee, Bukowski, Ionesco, Mrozek und Handke begann Reinhardt sein Leben in und mit dem Theater. Er schreibt und veröffentlicht seit vielen Jahren eigene Erzählungen, Lyrik und Theaterstücke. Seine Erfahrungen mit so vielen verschiedenen Menschen und seine Beobachtungen in so unterschiedlichen Lebensbereichen werden in seinen Texten immer wieder sichtbar. Reinhardt lebt seit einigen Jahren in Potsdam.
Karl-Friedrich Reinhardt und Schauspieler Michael Gerlinger lesenSchräges mit Tiefsinn. Am Donnerstag im Kunsthaus "sans titre". Ein Hund als Diktator einer lateinamerikanischen Hunderepublik. Skurril klingt die Idee, die die Titelgeschichte zum Sammelband „Herrn Humboldts letzte Reise“ von Karl-Friedrich Reinhard geworden ist. Am heutigen Donnerstag ab 20 Uhr wird Reinhard gemeinsam mit dem Schauspieler Michael Gerlinger im Kunsthaus „sans titre“ Auszüge aus seinen Kurzgeschichten, Theatermonologen und Gedichten vorlesen. „Sonst habe ich immer mit musikalischer Begleitung gearbeitet“, erzählt Reinhard. Heute dann eben mit Gerlinger, der aber schon angeboten habe, seine Ukulele mitzubringen. Kennengelernt haben sich die beiden Wahlpotsdamer, als Gerlinger Gedichte von Paul Celan vortrug – einem deutsch-jüdischen Lyriker, in dessen Gedichten es immer wieder auch um den Tod seiner Eltern durch die Nationalsozialisten geht. „Paul Celan lesen, das wird schwierig“, dachte Reinhard – war dann jedoch schwer beeindruckt. Und Lesungen sind für Gerlinger, der unter anderem am Thalia Theater in Hamburg spielte, kein Neuland. Abgesehen von Celan hat er bereits Heinrich-Heine und Theodor Fontane rezitiert. Wie hältst du's mit der Moral? Reinhardts Texte schätzt er aufgrund ihres schwarzen Humors. „Sie sind sprachspielerisch, das macht mir auch Spaß.“ So erzählt die Kurzgeschichte „Herrn Humboldts letzte Reise“ von einem Journalisten, dem eines Tages ein Hund ans Bein pinkelt. Dieser entschuldigt sich sogleich für seine unverzeihliche Unachtsamkeit – und nachdem die Aufregung über einen sprechenden Hund überwunden ist, werden die beiden Freunde. Und Rivalen. Komisch geht es zuweilen zu, doch umso ernsthafter konfrontiert Reinhardt den Leser auch mit dem menschlichen Makel oder vielmehr – im Falle von Humboldt – mit dem Tier im Menschen. Seine Protagonisten handeln selbstsüchtig, sind neidisch, eifersüchtig und misstrauen einander. Zurecht – wie die Geschichte zeigt, denn nicht nur politisch hegt Humboldt höchst zweifelhafte Absichten, er hat auch ein Auge auf die Exfreundin des Journalisten geworfen. „Der Hund ist zutiefst amoralisch“, kommentiert Reinhardt seine Figur. „Die Geschichte funktioniert wie eine Fabel.“ In diesem Fall jedoch eine Fabel mit einer Moral, die durchaus angezweifelt werden darf: „Muss man sich denn immer die Moral anderer aufzwingen lassen?“ Reinhardt denkt eben nicht schwarz-weiß. Er reduziert seine Charaktere nicht auf die eine bösartige Eigenschaft, sondern erkennt die menschliche Psyche als komplexes Gefüge. Den Leser, der seine Sympathien gerne auf eine Figur festlegt, führt er damit immer ein bisschen in die Irre. Wie etwa in seinem Ein-Personen-Stück „Rest im Glas“, das Gerlinger heute Abend vortragen wird. Die Geschichte des aufschneiderischen Immobilienmaklers Max spielt im Mittleren Westen Amerikas. „Max ist charmant. Er ist ein Schwein. Er benutzt andere Menschen und dann dreht sich alles um“, so Reinhardt. Das Stück zeigt, wie Menschen einander manipulieren und was passiert, wenn sich Machtverhältnisse plötzlich verlagern. Und auch, dass jeder einen kleinen Max in sich hat.
Geschichten ohne Grenzen Reinhardt hat keine festgefahrene Vorstellung davon, wie Gerlinger die Rolle des Max verwirklichen soll. Da, sagt er, vertraue er seinem Schauspielerkollegen voll und ganz: „JederMensch liest ein Buch ja auf seine eigene Weise. So als würde es sich bei jedem Menschen um ein ganz verschiedenes Buch handeln.“ Auch Gerlinger geht ganz zwanglos mit seiner Aufgabe als Vorleser um. „Ich sitze nicht zu Hause und lese laut“, antwortet er auf die Frage hin, ob er die Texte vorher einübe. „Ich bin ja kein Rekorder, der immer wieder nur das gleiche von sich gibt. Ich reagiere natürlich auf die äußeren Umstände.“
Der Hund im Mensch
Tagesspiegel Potsdamer Neuste NachrichtenOktober 2015
Karl-Friedrich Reinhardt und Schauspieler Michael Gerlinger lesenSchräges mit Tiefsinn. Am Donnerstag im Kunsthaus "sans titre".
Ein Hund als Diktator einer lateinamerikanischen Hunderepublik. Skurril klingt die Idee, die die Titelgeschichte zum Sammelband „Herrn Humboldts letzte Reise“ von Karl-Friedrich Reinhard geworden ist. Am heutigen Donnerstag ab 20 Uhr wird Reinhard gemeinsam mit dem Schauspieler Michael Gerlinger im Kunsthaus „sans titre“ Auszüge aus seinen Kurzgeschichten, Theatermonologen und Gedichten vorlesen. „Sonst habe ich immer mit musikalischer Begleitung gearbeitet“, erzählt Reinhard. Heute dann eben mit Gerlinger, der aber schon angeboten habe, seine Ukulele mitzubringen.
Kennengelernt haben sich die beiden Wahlpotsdamer, als Gerlinger Gedichte von Paul Celan vortrug – einem deutsch-jüdischen Lyriker, in dessen Gedichten es immer wieder auch um den Tod seiner Eltern durch die Nationalsozialisten geht. „Paul Celan lesen, das wird schwierig“, dachte Reinhard – war dann jedoch schwer beeindruckt. Und Lesungen sind für Gerlinger, der unter anderem am Thalia Theater in Hamburg spielte, kein Neuland. Abgesehen von Celan hat er bereits Heinrich-Heine und Theodor Fontane rezitiert.
Wie hältst du's mit der Moral?
Reinhardts Texte schätzt er aufgrund ihres schwarzen Humors. „Sie sind sprachspielerisch, das macht mir auch Spaß.“ So erzählt die Kurzgeschichte „Herrn Humboldts letzte Reise“ von einem Journalisten, dem eines Tages ein Hund ans Bein pinkelt. Dieser entschuldigt sich sogleich für seine unverzeihliche Unachtsamkeit – und nachdem die Aufregung über einen sprechenden Hund überwunden ist, werden die beiden Freunde. Und Rivalen.
Komisch geht es zuweilen zu, doch umso ernsthafter konfrontiert Reinhardt den Leser auch mit dem menschlichen Makel oder vielmehr – im Falle von Humboldt – mit dem Tier im Menschen. Seine Protagonisten handeln selbstsüchtig, sind neidisch, eifersüchtig und misstrauen einander. Zurecht – wie die Geschichte zeigt, denn nicht nur politisch hegt Humboldt höchst zweifelhafte Absichten, er hat auch ein Auge auf die Exfreundin des Journalisten geworfen.
„Der Hund ist zutiefst amoralisch“, kommentiert Reinhardt seine Figur. „Die Geschichte funktioniert wie eine Fabel.“ In diesem Fall jedoch eine Fabel mit einer Moral, die durchaus angezweifelt werden darf: „Muss man sich denn immer die Moral anderer aufzwingen lassen?“
Reinhardt denkt eben nicht schwarz-weiß. Er reduziert seine Charaktere nicht auf die eine bösartige Eigenschaft, sondern erkennt die menschliche Psyche als komplexes Gefüge. Den Leser, der seine Sympathien gerne auf eine Figur festlegt, führt er damit immer ein bisschen in die Irre. Wie etwa in seinem Ein-Personen-Stück „Rest im Glas“, das Gerlinger heute Abend vortragen wird. Die Geschichte des aufschneiderischen Immobilienmaklers Max spielt im Mittleren Westen Amerikas. „Max ist charmant. Er ist ein Schwein. Er benutzt andere Menschen und dann dreht sich alles um“, so Reinhardt. Das Stück zeigt, wie Menschen einander manipulieren und was passiert, wenn sich Machtverhältnisse plötzlich verlagern. Und auch, dass jeder einen kleinen Max in sich hat.
Geschichten ohne Grenzen
Reinhardt hat keine festgefahrene Vorstellung davon, wie Gerlinger die Rolle des Max verwirklichen soll. Da, sagt er, vertraue er seinem Schauspielerkollegen voll und ganz: „JederMensch liest ein Buch ja auf seine eigene Weise. So als würde es sich bei jedem Menschen um ein ganz verschiedenes Buch handeln.“ Auch Gerlinger geht ganz zwanglos mit seiner Aufgabe als Vorleser um. „Ich sitze nicht zu Hause und lese laut“, antwortet er auf die Frage hin, ob er die Texte vorher einübe. „Ich bin ja kein Rekorder, der immer wieder nur das gleiche von sich gibt. Ich reagiere natürlich auf die äußeren Umstände.“