Die Frau des Jägers, Das Ende des Serüün-Tempels

Die Frau des Jägers, Das Ende des Serüün-Tempels

Zwei mongolische Erzählungen

Sengijn Erdene , Renate Bauwe (Hrsg.)

Romane & Erzählungen

Paperback

132 Seiten

ISBN-13: 9783837038446

Verlag: Books on Demand

Erscheinungsdatum: 09.04.2009

Sprache: Deutsch

Farbe: Ja

Bewertung::
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inkl. MwSt. / portofrei

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Das Buch enthält zwei Erzählungen S. Erdenes, die aus dem Mongolischen übersetzt wurden.

„Die Frau des Jägers“ (1971):
Scharaa will sich nicht länger mit dem einsamen Leben abfinden, zu dem der Beruf ihres MannesTogtoch, eines tüchtigen und geachteten Jägers, sie zwingt. Ihr Schwiegervater hat ihr von seiner großen Liebe erzählt: von Dshenemee, einem Mädchen aus dem Stamm der Rentiernomaden, die ihm aus den Taigawäldern des Nordens ins Steppenland der Chalch-Mongolen gefolgt war. Dort aber blieb sie eine Fremde, der die Einheimischen mit Argwohn begegneten. Um den Mann, den sie liebte, nicht unglücklich zu machen, verließ sie ihn und opferte sich einem Schamanen. Nur dadurch, so glaubte sie, könne sie die rachsüchtigen Geister ihrer Heimat versöhnen.
Scharaa jedoch ist eine moderne junge Frau, sie lebt bereits in einer anderen Zeit. Um Togtoch ihre Liebe zu beweisen und ihrem Leben einen Sinn zu geben, will sie ihm und sich ermöglichen, in einer Gemeinschaft mit anderen Jägerfamilien zu leben. Von der Idee einer Jägerbrigade beflügelt, reitet sie ins Dorf. Doch enttäuscht muss sie feststellen, dass sie gegenüber der in ihrer Genossenschaft herrschenden Engstirnigkeit und Lethargie machtlos ist.
Die Erzählung berührt eine Frage, die zur Zeit ihres Entstehens provokativ klingen musste: Wie schwer wiegen die Lebensträume des Einzelnen in einer Gesellschaft, in der das Handeln der Menschen vor allem durch planwirtschaftliche Motive bestimmt wird?

„Das Ende des Serüün-Tempels“ (1980):
Es ist das Jahr 1937, der Höhepunkt einer vom mongolischen Staat initiierten Kampagne nach dem Muster der stalinistischen "Säuberung" in der damaligen Sowjetunion. Klöster werden zerstört, Zehntausende lamaistischer Mönche umgebracht. Auch der kleine Serüün-Tempel in einem Tal des Chentij-Gebirges verwaist. Die traumatisierten Menschen aus der Umgebung, die vor wenigen Jahren voller Enthusiasmus mitgeholfen hatten, ihn zu bauen, sträuben sich jetzt, aus den nutzlos gewordenen Balken eine Schule für ihre Kinder zu errichten. Der junge Prior des Tempels wurde verhaftet, und das Mädchen Dedshidmaa folgt ihm in den Tod, hoffend, ihren heimlichen Geliebten im mythologischen Lande Schambala wiederzufinden ...
Anhand authentischer Schicksale gewährt Erdene Einblick in eine Zeit krasser gesellschaftlicher Widersprüche. Doch beruht die Bedeutung dieser Erzählung nicht allein auf ihrem Realismusgehalt. In der Zeit ihrer Entstehung war das Thema der Massenexekutionen von Lamas und Angehörigen der burjatischen Minderheit in der MVR noch absolut tabu. „Das Ende des Serüün-Tempels“ war einer der ersten Versuche, den Bann zu brechen und das heikle Thema zu berühren. Unter dem Druck seiner persönlichen Erinnerungen wagte er es, gegen das Vergessen zu schreiben, auch wenn er sich vorerst noch auf Andeutungen beschränken musste.
Sengijn Erdene

Sengijn Erdene

Sengijn Erdene
ist einer der bedeutendsten mongolischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Er wurde 1929 in der Familie eines burjatischen Viehzüchters geboren, der wenige Jahre zuvor aus der Burjatischen ASSR in die Mongolei emigriert war. Dort erlebte Erdene als Kind die Schrecken der stalinistischen „Säuberung“, der auch sein Vater zum Opfer fiel. Nach Abschluss der Schule studierte er Medizin und arbeitete mehrere Jahre als Psychiater, bevor er sich ganz dem literarischen Schaffen widmete.
Erdenes frühe Gedichte waren wenig spektakulär. Doch als er – noch ganz unter dem Eindruck seiner Arbeit mit psychisch kranken Menschen – anfing zu beschreiben, wie die Menschen seiner Zeit auf Probleme des mongolischen Alltags reagierten, hatte er sein Metier gefunden. In einer Zeit ideologischer Zwänge, die wenig Raum für Kreativität zuließen, begeisterte er die mongolischen Leser mit sensiblen, lebensnahen Geschichten, und bald umgab ihn der Nimbus eines „Meisters der psychologischen Novelle“.
Sein Menschenbild beruht auf dem Ideal des kreativen, nach Selbstverwirklichung strebenden Menschen, der die bestehende Gesellschaft trotz ihrer Widersprüche bejaht. Viele seiner Erzählungen und Romane haben einen autobiografischen Hintergrund. Immer wieder führt er den Leser in die malerische Landschaft seines Heimattals im Chentij-Gebirge, wo er die ersten glücklichen Jahre seiner Kindheit verbrachte, wo er als Sechsjähriger die – allerdings bald wieder abgebrochene – Laufbahn eines Lamas einschlug, wo er mit seinen Freunden in dem verfallenden Serüün-Tempel spielte und wo er Abschied nehmen musste von seinem Vater, der als „Konterrevolutionär“ hingerichtet wurde. Die traumatisch überschatteten Bilder seiner Kindheit verfolgten den Schriftsteller sein Leben lang. Doch musste er sich viele Jahre mit Andeutungen begnügen („Das Ende des Serüün-Tempels“, Erzählung, 1980; „Der Lebenskreis“, Roman, 1983); es war nicht ungefährlich, am Lack der doktrinären Gesellschaft zu kratzen, die sich als gerecht und allein seligmachend darstellte.
Erst unter dem Einfluss der sowjetischen Glasnost-Bewegung kam es in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre auch in der Mongolischen Volksrepublik (MVR) zu einer öffentlichen Auseinandersetzung mit den fünf Jahrzehnte lang totgeschwiegenen Verbrechen gegen Lamas und Angehörige der burjatischen Minderheit. Erdene schreibt seinen Roman „Wir treffen uns in unserem nächsten Leben wieder“ (1993), dem er den Untertitel „Eine Tragödie“ beifügt. In dem Essay „Schwarze Schwäne“ (1997) schreibt er wohl zum ersten Mal ohne künstlerische Verfremdung und voller Trauer von den Ereignissen um das Jahr 1937 und der Ermordung seines Vaters – ein ergreifender Bericht über das Schicksal einer burjatischen Familie und eine seiner letzten Veröffentlichungen vor seinem Tode im Jahre 2000.

Erdenes Erzählungen, Romane und Essays wurden in viele Sprachen übersetzt und zum Teil verfilmt. In deutscher Sprache erschien der Band „Sonnenkraniche“ (Erzählungen; Verlag Volk und Welt, 1979). Diesem wurde die Erzählung „Die Frau des Jägers“ entnommen, die hier in einer überarbeiteten Fassung vorgestellt wird. ″Das Ende des Serüün-Tempels“ erscheint zum ersten Mal in deutscher Sprache.

Renate Bauwe

Renate Bauwe (Hrsg.)

Die Übersetzerin Renate Bauwe ist promovierte Mongolistin. Sie lehrte drei Jahrzehnte an der Berliner Humboldt-Universität mongolische Sprache und Literatur. Daneben ist sie seit vielen Jahren als literarische Übersetzerin tätig. Mit dem 1976 beim Verlag Volk und Welt erschienenen Band ″ERKUNDUNGEN - 20 mongolische Erzählungen″ erschloss sie dem deutschsprachigen Leser eine bis dahin völlig unbekannte Literaturlandschaft.

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