Der Erste Weltkrieg führte den niederländischen Theologen Gerrit Jan Heering (1879-1955), Hochschullehrer am Seminar der Remonstranten und Mitbegründer der Vereinigung "Kerk en Vrede" (Church and Peace), zu einem radikalen Antikriegsstandpunkt. Im Vorwort zu dem hier neu edierten Werk "Der Sündenfall des Christentums" (Erstauflage NL 1928, dt. Übersetzung 1930) schreibt er: Ich will "ernsthaft auseinandersetzen, dass Christentum und Krieg - jetzt mehr denn je - unversöhnliche Gegensätze sind. Ich will zwischen die christliche Lehre und die Ideologie des Krieges einen Keil treiben. Beide Systeme sind von der Geschichte zwangsweise zusammengeführt und werden jetzt in künstlicher Weise zusammengehalten. Ich will an das christliche Gewissen und an das von diesem Gewissen gelenkte vernünftige Denken appellieren und fragen, ob es nicht die höchste Zeit ist, dass Kirche und Christen sich prinzipiell gegen das ganze Kriegswesen auflehnen. ... Es war eine verhängnisvolle Wendung in der Geistesgeschichte, die während und nach der Zeit von Kaiser Konstantin sich vollzog; durch das enge Bündnis zwischen Staat und Kirche ging das Bewusstsein des Gegensatzes zwischen Christentum und Krieg ... verloren ...; das schlimmste ist, dass man (seither) ... ruhig Böses gut nennt. ... Die Art, wie in allen christlichen Ländern die Kirche direkt in das gegenseitige Gemetzel des letzten Krieges hineingezogen worden ist, nämlich als unentbehrlicher, als inspirierender Faktor, demonstriert jenen Sündenfall in deutlichster und greulichster Weise. Es ist kein größerer Abstand und Gegensatz denkbar, als zwischen Christus und dem modernen Krieg. Wer dies verneint, hat die Realität eines von beiden oder beider nicht klar gesehen. Das militärische Christentum unserer Tage kann nicht schärfer gerichtet werden, als es durch das Christentum Christi geschieht."
edition pace. Regal: Pazifismus der frühen Kirche 4.
Herausgegeben von Peter Bürger,
In Kooperation mit: Lebenshaus Schwäbische Alb, Ökumenisches Institut für Friedenstheologie, Thomas Nauerth (Portal: Friedenstheologie).
Gerrit Jan Heering, geboren am 15. März 1879 in Pasuruan/Indonesien, gestorben am 18. August 1955 in Oegstgeest, wurde nach seinem Theologiestudium Hochschullehrer am Seminar der Remonstranten in Leiden (NL). - Der Vater hatte seit 1868 Prediger in Indonesien gewirkt. Die Familie kehrte 1881 in die Niederlande zurück. - G.J. Heering ist Prediger geworden wie sein Vater, aber mit einer anders ausgerichteten Theologie, die er in seiner Zeit als Professor auch durch seine Werke fundiert hat. Als Prediger diente er den Remonstranten-Gemeinden von Oude Wetering (1904-1907), Dordrecht (bis 1913) und Arnheim (bis zum Beginn seines Hochschullehramtes, April 1917). G.J. Heering entwickelte eine eigene "Dogmatik auf der Grundlage der Evangelien und der Reformation" und schrieb u.a. über den "Platz der 'Sünde' in der freisinnigen-christlichen Dogmatik" (1912). Der Erste Weltkrieg führte ihn zu einem radikalen Antikriegsstandpunkt, beeinflusst von Hilbrandt Boschma. Heering fasste seine Erkenntnisse zum kriegsfreundlichen Kirchentum 1928 in dem Werk "Der Sündenfall des Christentums" zusammen (Übersetzungen in 4 Sprachen) und gründete mit anderen die Vereinigung "Kerk en Vrede", in der er viele Jahre zu den leitenden Persönlichkeiten gehörte. Auch in der internationalen pazifistischen Vernetzung engagierte er sich federführend. 1933 wurde der Niederländer für den Friedens-Nobelpreis vorgeschlagen.
Peter Bürger (Hrsg.)
Herausgeber des "Regals: Pazifismus der frühen Kirche": Peter Bürger (geb. 1961), Dipl.-Theologe, examinierter Krankenpfleger und Publizist - Mitarbeiter im Ökumenischen Institut für Friedenstheologie; Mitbegründer der Reihe "edition pace"; Mitglied der pax christ-Bewegung und des Versöhnungsbundes. - Internet: www.schalom-bibliothek.org; www.tolstoi-friedensbibliothek.de; https://kircheundweltkrieg.wordpress.com/
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