Surrealistische Bilder faszinieren immer wieder ein großes Publikum. In der bildenden Kunst wird der Surrealismus seit nunmehr über hundert Jahren bewusst fortgeführt, kaum eine andere künstlerische Strömung ist so dauerhaft. Das Wort »surreal« wird, von solchen Bildern abgeleitet, oft für Situationen und Erlebnisse im Alltag gebraucht. Meist wird aber nicht daran gedacht, dass der Surrealismus von Schriftstellern ausgerufen worden ist und seitdem einen höheren Anspruch hat, als neue, seltsam bekannte Bilder zu erzeugen. Es ging von Anfang an auch nicht einfach um Kunst. Das Vorhaben war, das Verhältnis der Menschen zur Welt zu ändern, inmitten von Zivilisationskrisen und darüber hinaus. Ein bestimmtes Wahrnehmen sollte Möglichkeiten entdecken und entsprechendes Handeln veranlassen, das befreiend, belebend und gestaltend wirkt. Das Buch präsentiert die Reaktionen auf die Pariser Surrealistischen Manifeste von 1924 und 1930 in Deutschland, in den letzten zehn Jahren der Weimarer Republik. Diese erste deutsche Demokratie hat sich besonders durch ihr intensives und vielfältiges kulturelles Leben ausgezeichnet. Dabei ist der Surrealismus zwar nicht als Bewegung aufgetreten, aber er wirkte sich bewegend aus. Wie hier in der Mitte Europas damals Intellektuelle sich mit den Anregungen des Surrealismus auseinandersetzten, sich auf verwandte deutsche Traditionen bezogen, an dieser und anderen Bewegungen teilnahmen oder davon auf Abstand gingen, wie Literaten über Grenzen hinweg Themen der Kultur, Politik, Philosophie, Ästhetik und Ethik diskutierten, die langfristig wichtig waren, wie sie einander kritisierten oder bestärkten, wie sie schrieben und handelten, vergegenwärtigt das Buch mit zahlreichen aussagekräftigen Zitaten, mit Analysen, Interpretationen und aktuellen Schlussfolgerungen. Eine nachhaltig wirkende ästhetische, philosophische und politische Bewegung wird aus diesen Reaktionen, Kommentaren oder Diagnosen besser verständlich und neu wahrnehmbar.
Matthias Kunstmann, Jahrgang 1958, hat ein Redaktionsvolontariat beim Sonntagsblatt (Evangelische Wochenzeitung für Bayern), beim Evangelischen Pressedienst und bei der Tageszeitung Augsburger Allgemeine absolviert. Das Studium der Germanistik, Romanistik und Neueren Geschichte an den Universitäten Erlangen-Nürnberg, Heidelberg und Bordeaux hat er als Magister Artium abgeschlossen. Er arbeitet als freiberuflicher Journalist für Presse, Rundfunk und Internet in den Bereichen Kultur, Wissenschaft und Politik und war von 1992 bis 2010 Redakteur für aktuelle Politik beim Südwestrundfunk im Kulturprogramm SWR2. Seit 2007 betreut er als freier Lektor ADB (Zertifikat der Akademie des Deutschen Buchhandels, jetzt Akademie der Deutschen Medien) Sachbücher und Belletristik verschiedener Verlage wie Beltz (Weinheim), RETAP (Düsseldorf), Silberburg (Tübingen).
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